Fotografenausbildung: Wildwest im Fotografenhandwerk
Das die Neuordnung der Handwerksrolle nicht unbedingt ein Geniestreich war, ist landläufig bekannt. Das eine solche Neuordnung "von oben" politisch erforderlich wurde, war abzusehen. Das Handwerk hatte lange genug selbst versäumt, mit den Veränderungen und Anforderungen der Zeit Schritt zu halten und eine innere Erneuerung und Umstrukturierung einzuleiten.
Die zusätzliche Verordnung, über mehrere Jahre hinweg auch solchen Betrieben die Ausbildung zu genehmigen, die nicht über die entsprechende Eignung (im Handwerk: die Meisterprüfung) verfügen, kann wohl nur von solchen Politikern gefordert worden sein, die Sorge um die Menge der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätzen zeigen wollten. Solche politischen Akteure sind offensichtlich grundsätzlich von jeder lebensnahen Sach- und Fachkenntnis befreit - und von der Fähigkeit zwischen Qualität und Quantität unterscheiden zu können auf jeden Fall.
Verwunderlich ist es deshalb nicht, dass einzelne Betriebe phantasievolle eigene Ideen verwirklichen, um den Verordnungsirrsinn zu entgehen. Von Stammtischparolen
wie "künftig zahle ich meinen Auszubildenden keine Ausbildungsbeihilfe mehr, sondern bei mir muss bezahlen, wer ausgebildet werden will" bis zu angeblich umfassenden
Ausbildungsangeboten innerhalb einer Praktikanten-Tätigkeit (die so nicht zulässig sind!) sind hier kreative, wenn auch nicht immer gesetzestreue Angebote zu beobachten.
Das Bundesarbeitsgericht kam in einer Entscheidung vom 13. März 2003 (6 AZR 564/01) zu dem Schluss: "Praktikant ist, wer sich für eine vorübergehende Dauer zwecks Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit und Ausbildung, die keine systematische Berufsausbildung darstellt, im Rahmen einer Gesamtausbildung unterzieht, weil er diese für die Zulassung zum Studium oder Beruf, zu einer Prüfung oder anderen Zwecken benötigt."
Den Fotografenmeister Ralph T. ficht das nicht an. Er bietet auf seiner HomePage unter dem Link "Jobs" an:
"Wir bieten interessierten und lernwilligen -und nur solchen - ein Langzeitpraktikum an , mit der gleichen Ausbildungsvergütung wie zuvor. Halbjährlich wird ein Zeugnis ausgestellt in dem eine Beurteilung über die bis zum dem Zeitpunkt erreichte Qualifikation ausgestellt wird. Parallel stellt der Ausbildungsleiter praxisbezogene Aufgaben, welche zu einer hochwertigen und repäsentativen Mappe verarbeitet werden soll, die später als Bewerbungs-, und Qualifikationsunterlage dienen soll.
Die Vorteile:
• praxisbezogenen Ausbildung ohne unwichtigen Details konzentration auf das Wesentliche
• transparetere Ausbildung durch Beurteilung des Ausbilders nicht der Schule
• Theoretischer Unterricht - JA ! ...aber nur praxisbezogen und keine Formeln die später eh´ jeder vergißt und die niemand zum Geld verdienen braucht!
• keine Bindung an den Betrieb durch Verträge -die Aubildung dauert nur so lang wie es beide Seiten (Auszubildener und Ausbilder) für richtig und effektiv halten!
• eingesparte Finanzen werden in Workshop´s oder Lehrgänge investiert die nach den Wünschen und Bedürfnissen des Auszubildenden zusammen mit dem Ausbilder ausgesucht werden. Keine Einheitslehrgänge! Nachweis der Qualifikation durch Urkunde der Workshop- bzw. Seminarleiter
• Motivation durch Leistungsdruck! Wie im Arbeitsleben später auch kann man sich nicht auf einem praktisch unkündbaren Ausbildungsvertrag ausruhen sondern ist gefordert Leistung zu zeigen ... oder die Konsequenzen zu tragen!
• Möglichkeit zu wechseln des Ausbildungsbetriebs um eine breit gefechertere Ausbildung zu erhalten.
-schneller am Ziel durch mehr Leistungsbereitschaft, zielgerichtete Ausbildung (wir gehen von ca. 2 Jahren aus)
• bessere Chancen bei der späteren Stellensuche druch kontinuierliches Vorbereiten ( z.B.Mappe ) "
Das nach solch einer "Ausbildung" jemand eine Anstellung aufgrund der Qualifikationsnachweise durch Workshop- oder Seminarleiter erhält, ist zweifelhaft - unzweifelhaft scheint lediglich, dass Fotografenmeister Ralph T. während des von ihm offerierten "Langzeitpraktikums" eine äußerst preiswerte Arbeitskraft beschäftigt. Hierzu ist zur Information die Lektüre der Site: http://www.recht-im-praktikum.de (eine Information des Rechtsanwalt Christian Regnery, Berlin) zu empfehlen. Dort findet man u.a.
"Bei vielen Praktika, die nicht gerade im Rahmen einer anerkannten Ausbildung gemacht werden, handelt es sich rechtlich oft um ganz gewöhnliche Arbeitsverhältnisse.
Denn, so das Bundesarbeitsgericht (BAG): …ein Praktikant schaut und hört zu, läuft mit, probiert auch mal selbst aus - er ist aber mit seinen Verrichtungen nicht in die
tägliche Arbeit des Betriebes eingebunden…."
und
"Indizien dafür, dass nur ein Scheinpraktikum vorliegt, sind insbesondere Länge der Arbeitszeit, feste Dienstpläne, eigener Arbeitsplatz und Kontakt mit Dritten, Kunden etc."
Was der Fotografenmeister T. also da auf seiner Site wirklich anbietet, kann maximal eine "betriebliche Ausbildung" oder ein "Anlernen" sein - keinesfalls eine Ausbildung oder gar ein anerkannter Ausbildungsgang!
31.07.2007, Mike Biedermann