Street photography und Recht - was man als Fotograf wissen muss
Im Bereich der street photography herrscht bei vielen Fotografen seit der DSGVO eine große Unsicherheit in Bezug auf das Recht. So ist für viele nicht mehr klar, was man als Fotograf darf und worauf man in Deutschland gerade bei street photography achten muss. Wir haben Rechtsanwältin Dorothee Thum und Rechtsanwalt Frank Richert, von der Kanzlei DTS Patent- und Rechtsanwälte aus München, um eine Einschätzung gebeten.
Was Streetfotografie, die Aida und ein Möbelkatalog gemeinsam haben - Ein kurzer Abriss zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der street photography in Deutschland.
von RAin Dorothee Thum und RA Frank Richert, DTS Patent- und Rechtsanwälte, München.
Dank moderner Smartphonekameras ist Streetfotografie heutzutage rein technisch ein Kinderspiel. Über Bildsprache und Motiv bestimmt aber immer noch der Fotograf.
Gerade die Motivauswahl beeinflusst dabei nachhaltig die spätere Verwertbarkeit der angefertigten Straßenfotografien. Hierbei sind einige rechtliche Vorgaben zu beachten, damit die Fotografie, unabhängig von Stil oder Genre, später bestmöglich professionell verwertet werden kann.
Denn Straßenfotografien können eine Vielzahl von Rechtspositionen Dritter berühren, darunter insbesondere das Persönlichkeitsrecht von Passanten, das Urheberrecht des Architekten an dem Entwurf einer Gebäudefassade oder das Urheberrecht des Bildhauers an seiner Skulptur auf einem öffentlichen Platz.
Dass man dennoch nicht bei jeder street photography eine kleinteilige Rechteklärung durchführen muss, ist einer Reihe von rechtlichen Regelungen zu verdanken, die berücksichtigen, dass die Arbeit eines Fotografen im öffentlichen Straßenraum nicht unnötig erschwert werden darf, um nicht die Meinungs- und Kunstfreiheit – immerhin Grundrechte in Deutschland und Europa – negativ zu beeinflussen.
Die Panoramafreiheit in der street photography
Eine der bekanntesten dieser Regelungen ist die sogenannte Panoramafreiheit in § 59 UrhG. Hiernach dürfen Fotografien von urheberrechtlich geschützten Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, nicht nur angefertigt, sondern auch nahezu uneingeschränkt kommerziell verwertet werden („zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben“). Die Verwertungsfreiheit nach § 59 UrhG gilt dabei für Bauwerke und Kunstwerke im öffentlichen Raum gleichermaßen.
Zu beachten ist allerdings, dass die Fotos grundsätzlich nur aus der Perspektive eines Fußgängers auf der Straße gemacht werden dürfen. Sofern der Fotograf hingegen Hilfsmittel wie einen Kran, eine Drohne oder auch eine Verlängerungsstange verwendet, auf Bäume steigt oder aus anderen Gebäuden heraus fotografiert, werden die so angefertigten Fotografien nicht mehr von der Panoramafreiheit erfasst. Und die Nutzung abgebildeter Bau- oder Kunstwerke wird, soweit keine anderen Ausnahmen greifen, unzulässig.
Auch gilt die Panoramafreiheit grundsätzlich nur für Werke, die sich bleibend im öffentlichen Raum befinden. Hieran fehlt es, wenn Werke nur vorübergehend im öffentlichen Raum präsentiert werden. Dies war zum Beispiel beim verhüllten Reichstag von Christo und Jeanne-Claude der Fall. Da es sich nur um eine vorübergehende Präsentation handelte, durften Fotografien vom verhüllten Reichstag nicht auf Postkarten verwertet werden (BGH, 24.01.2002 - I ZR 102/99). Auch Fotografien anderer im Rahmen zeitlich beschränkter Aktionen und Ausstellungen sichtbarer Kunstwerke, etwa auf Plakaten, werden somit von der Panoramafreiheit nicht umfasst, auch wenn sie sich im öffentlichen Straßenraum befinden. Lediglich dann, wenn sich die zeitliche Beschränkung allein aus der natürlichen Lebensdauer eines zerfallenden Kunstwerks ergibt, wie es zum Beispiel bei Straßenmalereien, Eis-, Sand- oder Schneeskulpturen der Fall ist, wird das Merkmal „bleibend“ als erfüllt und die Verwertung entsprechender Abbildungen als zulässig angesehen.
Andererseits ist „bleibend“ nicht gleichbedeutend mit „ortsfest". So durften Fotografien des Kussmunds der Aida-Kreuzfahrtschiffe – als einem urheberrechtlich geschützten Werk der angewandten Kunst – aufgrund der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG frei verwertet werden (BGH, 27.04.2017 - I ZR 247/15). Entscheidend und ausreichend war, dass sich Kreuzfahrtschiffe ihrer Bestimmung nach grundsätzlich an öffentlichen Orten befinden (z.B. Häfen und Wasserstraßen) und der Kussmund daher dauerhaft von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann, ihr somit zeitlich uneingeschränkt „gewidmet“ ist.
Schließlich deckt die Panoramafreiheit grundsätzlich auch das Ablichten von Werken ab, die sich zwar nicht selbst auf bzw. an einem öffentlichen Ort befinden, die aber von einem solchen öffentlichen Ort aus von Passanten gesehen werden können. Alles, was zum öffentlichen Straßenbild zählt, kann grundsätzlich abgelichtet und verwertet werden. Die Panoramafreiheit dient insoweit dem Interesse der Allgemeinheit an der Freiheit des Straßenbildes und ist der zentrale Grundpfeiler jeglicher professioneller street photography.
Umgekehrt kann demnach alles, was nicht mehr zum Straßenbild zählt, auch nicht unter dem Mantel der Panoramafreiheit abgelichtet und verwertet werden. So endet die Panoramafreiheit insbesondere am Hausrecht von Gebäudeinhabern. Weder Fotografien in Innenräumen noch von Personen, die sich in den Gebäuden aufhalten, werden von ihr gedeckt. Einerseits haben Grundstückseigentümer nach geltender höchstrichterlicher Rechtsprechung die umfassende Befugnis, die Anfertigung und Verwertung von Fotografien von ihrem Grundstück aus zu regeln und zu verbieten (BGH, 17.12.2010 - V ZR 44/10; BGH, 20.12.2018 - I ZR 104/17). Andererseits kann insbesondere das Anfertigen sowie Verwerten von Fotoaufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich sogar strafbar sein (§ 201a StGB).
Beiwerk-Regelung in der street photography
Zweite Säule professioneller street photography ist die sogenannte „Beiwerk“-Regelung in § 57 UrhG. Nach dieser Regelung darf man Fotografien, auf denen fremde Werke abgebildet sind, anfertigen und umfassend verwerten, wenn die abgebildeten fremden Werke nur unwesentliches Beiwerk neben der eigentlichen Verwertung (kurz: der Fotografie) darstellen. Bei unbefangener Betrachtung scheinen damit auch sämtliche Werke im öffentlichen Straßenraum abgebildet und verwertet werden zu können, die sich entweder nur vorübergehend im öffentlichen Raum befinden oder die zwar öffentlich sichtbar sind, aber nicht zum Straßenbild gehören und damit nicht der Panoramafreiheit unterfallen.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein auf einer Fotografie abgebildetes Werk nur dann unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG ist, wenn es überhaupt keine Rolle für die Bildaussage spielt und frei austauschbar ist (ohne dass es auffällt). Das Werk dürfe also in keiner Weise „erkennbar stil- oder stimmungsbildend […] oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend […] in den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen sein, einen dramaturgischen Zweck erfüll(en) […] oder sonst charakteristisch“ sein. Diese Aussagen traf der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit einer Fotografie in einem Möbelkatalog, in dem für die Produktpräsentation einer Wohnlandschaft ein zu diesem Zweck gezielt ausgewähltes Gemälde über eine Sofalandschaft gehängt und mit abgebildet worden war (BGH, 17.11.2014 - I ZR 177/13).
Auch wenn der konkreten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass die Ausnahme für „unwesentliches Beiwerk“ nicht ein gezielt für die Produktpräsentation einer Sofalandschaft aufgehängtes Gemälde erfasst, zuzustimmen ist, sollten die im Zusammenhang mit einem kommerziellen Möbelkatalog aufgestellten Grundsätze auf die Streetfotografie jedoch nicht unreflektiert übertragen werden.
Denn da Streetfotografie gerade davon lebt, Atmosphäre und Geschehen eines öffentlichen Ortes in Momentaufnahmen einzufangen und somit nahezu jedes sichtbare (fremde) Werk stimmungsbildend für die konkrete Fotografie ist, liefe die Beiwerksregelung nach § 57 UrhG im Bereich der Streetfotografie im Ergebnis ansonsten leer. Es sollte daher zwischen dem gezielten Arrangement im Rahmen einer kommerziellen Produktpräsentation einerseits und dem künstlerischen Einfangen eines zufällig vorgefundenen Moments, wie er für die street photography charakteristisch ist, unterschieden werden. Der Straßenfotograf greift nicht dramaturgisch in das Geschehen ein, sondern er fängt einen vorgefundenen dramaturgischen Moment mit der Kamera ein. Soweit daher urheberrechtlich geschützte Werke, die nicht ohnehin der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG unterfallen, auf einer Straßenfotografie mit abgebildet sind, sollte die Beiwerksregelung nach § 57 UrhG im Lichte der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz weiter ausgelegt werden als bei einem Möbelkatalog. Denn da das Wesentliche einer Straßenfotografie das (vorgefundene) Straßenbild als Ganzes ist, mögen die Einzelheiten und auch ein mit abgebildetes Kunstwerk zwar „stimmungsbildend“ sein, sie sind jedoch als solche nicht wesentlich. Wesentlich ist die Straßenfotografie in ihrer künstlerischen Gesamtheit. Somit sollte die Verwertung einer künstlerische Straßenfotografie nach § 57 UrhG immer dann zulässig sein, wenn nicht das mit abgebildete Kunstwerk, sondern das Straßenbild als solches wesentlicher Bildinhalt ist. Rechtsprechung hierzu steht jedoch noch aus. Als Faustregeln sollte man jedenfalls im Hinterkopf behalten: die Beiwerksregelung könnte grundsätzlich dann zur Anwendung kommen, wenn sich Objekte nur vorübergehend im Straßenraum befinden. Gezielte Arrangements (des Fotografen) unterfallen jedoch nicht der Beiwerksregelung.
Abbildung von Menschen in der street photography
Besondere Aufmerksamkeit ist bei der Streetfotografie schließlich auch stets der Abbildung von Personen zu widmen.
Hierbei sind nunmehr seit 2018 – jedenfalls im Bereich der Digitalfotografie – insbesondere die Vorgaben der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten. Die Verwertung von Personenfotografien bedarf danach stets einer Berechtigung (Art. 6 DSGVO). Neben der Einwilligung und der Vertragserfüllung kennt die DSGVO vor allem eine Rechtfertigung bei Vorliegen berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO).
Ob „berechtigte Interessen“ vorliegen, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen. Gegenüberzustellen sind die Interessen des Abgebildeten am Schutz seiner personenbezogenen Daten und die Interessen des Fotografen im Rahmen seines Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit. Zur letzteren zählen auch journalistische, wissenschaftliche, literarische oder eben auch künstlerische Zwecke.
Diese Aufzählung erinnert dabei zwar an die deutsche Regelung des Kunsturhebergesetzes (§§ 22f. KUG). Es ist derzeit jedoch sehr umstritten, ob die Regelungen des KUG nach Inkrafttreten der DSGVO überhaupt noch anwendbar sind. Auf die Einzelheiten soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. (Hierüber berichteten wir schon im Beitrag: "Personenfotos nach DSGVO - was muss ich als Fotograf beachten"
Bei der Anwendung der DSGVO auf Straßenfotografien wird dabei in Zukunft auch den Grundrechten gemäß der Europäischen Grundrechtecharta, insbesondere der Kunstfreiheit eine besondere Bedeutung zukommen (Art. 13 GRCh). Denn obwohl Straßenfotografien regelmäßig „nur“ ein unverfälschtes Abbild der Realität wiedergeben wollen, handelt es sich aufgrund der vom Fotografen getroffenen „bewussten Auswahl des Realitätsausschnitts“ und „Gestaltung mit fotografischen Mitteln“ bei Straßenfotografien gleichwohl um „freie schöpferische Gestaltungen“ und somit um Kunstwerke. Dies hat kurz vor Inkrafttreten der DSGVO das Bundesverfassungsgericht zur parallelen Vorschrift des Grundgesetzes (Art. 5 Abs. 3 GG) festgestellt (BVerfG, 08.02.2018 - 1 BvR 2112/15). Denn auch in Straßenfotografien werden „Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache, hier der Fotografie, zur Anschauung gebracht.“
In dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall durfte der Fotograf eine Straßenfotografie, die eine Frau erkennbar und identifizierbar in einem Kleid mit Schlangenmuster und Plastiktüte vor einem Leihhaus zeigte, unter Berufung auf die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) in einem künstlerischen Kontext (= Ausstellung) zeigen. Die Fotografie war laut BVerfG gerade deshalb nicht zu beanstanden, weil sie unverfälscht die Realität zeigte. Unzulässig war allerdings die blickfangmäßige Bewerbung der Kunstausstellung mit einem großformatigen Plakat der Fotografie an einer stark frequentierten Straße in Berlin. Die konkrete Art der Präsentation der Fotografie stellte eine zu gravierende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der abgebildeten Frau dar.
Diese vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten grundsätzlichen Wertungen dürften auch unter der DSGVO und den Grundrechten gemäß der Europäischen Grundrechtscharter weiter gelten. Der Fall der Dame im Kleid mit Schlangenmuster macht insoweit auch deutlich, dass nicht entweder immer das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person oder die Kunstfreiheit des Streetfotografen überwiegt. Im Ausgangspunkt dürften daher auch unter der Geltung der DSGVO Streetfotografien im künstlerischen Kontext Personen erkennbar zeigen dürfen, ohne dass eine Einwilligung vorliegen muss. Es kommt jedoch immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Ähnliche Überlegungen gelten für eine journalistische Verwertung im Bereich der Presseberichterstattung (so zumindest das OLG Köln, hier nachzulesen
Die Rechtsanwälte Thum und Richert sind Mitglieder der Kanzlei DTS Patent- und Rechtsanwälte Schnekenbühl und Partner mbB