"Interesse und Sensibilität ermöglicht ein Fotografieren auf Augenhöhe" - Fotograf Daniel Schmitt
Im BEST OF 2016 zeigen professionelle Fotografen ihr bestes, persönlichstes oder emotionalstes Foto aus dem letzten Jahr.
Mitgemacht hat auch Daniel Schmitt mit einem Portraitfoto.
BF: Hallo Herr Schmitt, was macht dieses Portrait für Sie besonders?
Daniel Schmitt: Das Shooting war in mehrerlei Hinsicht interessant. Zum einen ist es immer spannend Menschen zu treffen, die man aus den Medien kennt. Joe Bausch ist aber zudem Gefängnisarzt, engagiert sich sozial und schreibt Bücher. Das finde ich natürlich spannend. Er nutzt seine Popularität und ist Schirmherr für die Polizeiseelsorge der evangelischen Landeskirche im Rheinland. Die Seelsorge kümmert sich um Polizisten, die in schweren Einsätzen waren. In diesem Kontext ist dann auch dieses Portrait von ihm entstanden. Für mich war es schön, diesen Mann mit seinem markantem Gesicht einmal ungeschminkt mit all den charaktervollen Falten kennenzulernen und fotografieren zu dürfen. Joe Bausch ist spannend als Mensch und als Typ. Ein in sich ruhender Mann, der viel erlebt hat.
BF: Wie ist es mit jemanden zusammenzuarbeiten, der so charakterstark ist?
Daniel Schmitt: In der Regel sind die Profis dankbar für jemanden, der sie gut anleitet. Herr Bausch ist ja Medienprofi genug, um der Profession des anderen zu vertrauen. Er war extrem entspannt und ist überhaupt keine Diva. Ich konnte in der kurzen Zeit viele unterschiedliche Sachen mit ihm ausprobieren. Er wohnt in Werl direkt neben der Justizvollzugsanstalt. Ich habe ihn dann auch direkt vor der Gefängnismauer fotografiert. Die Begegnung mit ihm als Person war klasse und von dem Foto bin ich überzeugt.
BF: Wussten Sie während des Shootings bereits, dass es ein besonderes Bild für Sie wird?
Daniel Schmitt: Ich entdecke Motive vorher, aber viel liegt im Moment selbst und läuft intuitiv ab. Ich habe ja nicht viel Zeit um zu diskutieren. Joe Bausch war während des Shootings fast kumpelhaft, er hat sich sofort auf Augenhöhe gestellt. Das war stark.
BF: Ist dieses Bild typisch für Ihre Arbeit als Fotograf?
Daniel Schmitt: Ja und Nein. Der Faktor Mensch spielt bei mir immer eine große Rolle. Ich bewege mich viel im Bereich Unternehmenskommunikation und treffe dabei oft auf Menschen, die ich unter Zeitdruck in Szene setzen muss. Ich versuche dann mit den Leuten möglichst schnell eine gemeinsame Ebene zu finden. Einige Mitarbeiter sind manchmal nicht wirklich motiviert, sich fotografieren zu lassen und dann entstehen natürlich Angst- und Abwehrgefühle. Es ist viel Sensibilität notwendig, um einen Draht aufzubauen und die Leute ins Thema zu bringen. Ich suche immer die Begegnung mit den Menschen, um sie für mich und die Kamera zu gewinnen. Das half mir natürlich auch bei der Arbeit mit Joe Bausch, wenngleich ich natürlich weiß, dass er ein Profi vor der Kamera ist.
BF: Wie schaffen Sie es, das Eis zu brechen und die Menschen fürs Fotografieren zu gewinnen?
Daniel Schmitt: Ich habe mich das auch schon oft gefragt und weiß es ehrlich gesagt nicht so genau. Ich gehe auf die Leute zu und versuche sie möglichst positiv anzusprechen und zu erklären, was ich mache, warum ich etwas mache und bitte sie dann offen zu sein und mitzumachen. Natürlich kann man niemanden zwingen und man würde das auch auf den Fotos sehen. Deshalb ist es wichtig, die Menschen für mein Tun zu gewinnen. Manchmal hilft es auch, wenn ich etwas vormache. Aber das A und O ist immer die persönliche Begegnung. Man muss das Eis der Kamera und das Fremdsein durch eine menschliche Begegnung auflösen. Ich zeige Interesse an den Menschen, rede mit ihnen und frage sie nach ihrem Leben. Hinterher sind manche von den Resultaten überrascht. Frauen sind meiner Erfahrung nach oft etwas empfindlicher, wenn es um die eigenen Bilder geht. Das ist auch ein Effekt der Medien, in denen Frauen immer perfekt dargestellt werden. Meistens wird dann nicht das eigentliche Foto bemängelt, sondern sie bemängeln sich selbst. Fotografie ist ein Spiegel, ein Spiegel der Realität und den Beautyfilter gibt es im Alltag nicht. Das ist manchmal hart.
BF: Sie meinten, dass Joe Bausch auch deshalb so interessant aussieht, weil er Falten hat, die den Charaktertyp unterstreichen. Wäre er eine Frau im gleichen Alter, hätten Sie dann ihre Falten ebenso als charaktervoll beschrieben?
Daniel Schmitt: Schönheit kann auch in Falten oder schrägen Dingen liegen. Es kann ein tolles Foto von jemanden entstehen, der eine Narbe im Gesicht hat. Die Falten und das Foto erzählen dann eine Geschichte.
BF: Mich wundert es nicht, dass Frauen empfindlich und sehr selbstkritisch mit sich sind, wenn Faltenlosigkeit bei Frauen das Ideal bleibt. Ich kenne keine Werbeaufnahmen von Frauen über 50, die begleitet von Männern in ihren frühen 20ern, abgebildet werden, aber umgekehrt natürlich schon.
Daniel Schmitt: (lacht) Ich habe nicht gesagt, dass es mich verwundert, dass Frauen sensibler sind, aber es ist einfach meine Erfahrung. Gerade in Werbeaufnahmen wird von Auftraggebern und Agenturen oft ein perfektes Bild gewünscht. Da wäre vielleicht ein wenig mehr Mut hilfreich. Es gibt auch einige Beispiele für mutige Kampagnen, die eben diesem Bild nicht mehr entsprechen wollen und sich trauen, Charaktere mit sogenannten Fehlern und Makeln zu zeigen. Ich habe gerade eine Kampagne für eine Messe mit SW Porträts gemacht, wo genau dieses Thema diskutiert wurde. Am Ende hat sich die Idee durchgesetzt "normale" Typen in unterschiedlichen Altersstufen, mit Falten, mit Tatoos und sichtbaren Makeln zu zeigen. Dennoch geht es kaum ohne eine Visagistin, aber auf wegretuschierte Falten oder Verjüngungen in der Postproduktion wurde bewusst verzichtet. Im Übrigen haben wir aus eben diesem Grund auch gezielt mit Laien und nicht mir Profis gearbeitet. Das war eine sehr gute Entscheidung und es gab wirklich tolle Ergebnisse auf die alle stolz sein können.
BF: Worauf legen Sie bei Ihren Aufnahmen am meisten Wert?
Daniel Schmitt: Wenn jemand auf den Bildern wirklich ehrlich und sympathisch rüberkommt, bin ich sehr zufrieden. Oder wenn ich mit dem Foto mehr herausgeholt habe, als die Realität zeigt. Gerade dieser Punkt ist in der Werbung wichtig. Mein Ziel ist es, aus eher langweiligen Vorgaben etwas Spannendes oder visuell Interessantes herauszuholen. Das Außergewöhnliche an Orten, Dingen oder Menschen zu zeigen, ist mir wichtig. Das können ungewöhnliche Momente, besonderes Licht, ein bestimmter Blick oder eine schöne Komposition sein.
BF: Wie kam es bei Ihnen zu der Berufswahl?
Daniel Schmitt: Ich habe mich schon immer für Fotografie interessiert und seit meiner Jugend wusste ich, dass ich etwas Kreatives machen möchte. Ich habe dann ein Praktikum bei einem älteren Industriefotografen absolviert und ihn bei seiner Arbeit begleitet. Die Ausbildung habe ich dann auch gleich bei ihm gemacht. Eigentlich wollte ich etwas viel Freieres im künstlerischen Bereich machen aber letztlich wäre mir das Studium dann doch zu theoretisch gewesen. Ein praktischer, technischer Bezug liegt mir mehr und zusammen mit meinem Interesse an Menschen sind das gute Voraussetzungen, um in verschiedenen Bereichen in der Fotografie zu arbeiten.
BF: Gibt es etwas an der Fotografie als Beruf, was Sie besonders schätzen?
Daniel Schmitt: Die Freiheit Dinge zu tun, die, naja... eigentlich bin ich mir unsicher, ob ich wirklich so frei bin. Ich mache meinen Beruf gern und bin stolz auf gute Ergebnisse, aber manchmal ist es einfach auch anstrengend. Der wirtschaftliche Druck schmälert die Freude an der Arbeit manchmal ein wenig. Gleichwohl genieße ich es natürlich, selbstbestimmt zu arbeiten und diese Freiheit hat ein Angestellter nicht. Ich begegne Menschen, denen ich sonst im Leben nicht begegnen würde, so wie Herrn Bausch. Manchmal fühle ich mich wie bei der Sendung mit der Maus, weil mir bei meiner Arbeit Prozesse erklärt und Orte gezeigt werden, die ich sonst nicht kennengelernt hätte. Ich darf durch meinen Job hinter die Kulissen schauen. Das alles ist spannend und bereichernd.
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