"Das Gefühl für Ästhetik ist intuitiv" - Fotografin Viola Sophie Schuldner
Im BEST OF 2016 zeigen professionelle Fotografen ihr bestes, persönlichstes oder emotionalstes Foto aus dem letzten Jahr. Mitgemacht hat auch Viola Sophie Schuldner mit diesem Motiv.
BF: Hallo Frau Schuldner, das Foto scheint ein Selbstporträt zu sein. Was ist für Sie das Besondere an dem Motiv?
Viola Sophie Schuldner: Der Ort ist für mich schon alleine wichtig und ich hatte ein starkes Bedürfnis dort hinzugehen. Es ist ein Stück Wald, in dem ich als kleines Kind oft, in letzter Zeit aber schon sehr lange nicht mehr war. Eigentlich wollte ich dort nur filmen, was ich auch getan habe, aber dann habe ich spontan angefangen zu fotografieren beziehungsweise auf den Fotos mich selbst zu inszenieren. In dem Moment stehe ich einfach im Wald, ich bin bei mir und nirgendwo anders. Ich lasse sehr viel Raum um mich herum auf dem Bild. Auch als Mensch brauche ich einfach viel Freiraum. Zwar wohne ich in der Innenstadt in Köln und mag gerne Trubel und Menschen, aber das Bild erinnert mich daran, wie schön es ist, ab und zu für mich zu sein. Das finde ich wichtig, vergesse es aber manchmal, weil ich stetig in einem Flow bin. Immer wenn ich das Bild sehe, erinnert es mich daran zwischendurch runterzukommen, einfach zu reflektieren und zu schauen, wo ich gerade bin. Deshalb ist es mein persönliches Lieblingsbild.
BF: Woher kommt diese starke Reflektion in Ihrem Leben?
Viola Sophie Schuldner: Manchmal habe ich das Bedürfnis, Dinge einfach zu tun, zu machen und erst wieder zur Ruhe kommen, wenn ich sie abgeschlossen habe. Das Alleinsein hilft mir dann beim Verarbeiten. Selbstinszenierungen beschreiben Momente aus meinem Leben, ein Gefühl von meiner Zeit. Das ist authentisch.
BF: Ein Hochformat ist eher unüblich bei Motiven in der Natur.
Viola Sophie Schuldner: Das habe ich mit Absicht gemacht, um den Raum, die Höhe zu betonen. Ich wollte die Lichtung, auf dem Berg mit dem Moos im Motiv haben. Ich bin zwar der Mittelpunkt, aber das Bild ist trotzdem dominiert vom Wald. Ich finde es schön, Dingen Platz zu geben. Ich will nicht einschränken.
BF: Können Sie sich von Ihrem Selbstportrait lösen und es von außen beschreiben?
Viola Sophie Schuldner: Mich zu lösen fällt mir schwer. Für mich ist es eher ein verlorenes Bild und bedeutet Runterkommen und Neustarten, aber es könnte auch ein einsames, verlassenes Mädchen im Wald sein. Ich habe den Kopf zwar unten, aber meine Schultern sind gerade. Es gibt Licht. Ich bin gefasst, präsent und geerdet. Ich stehe auf dieser Lichtung und tanke Energie. Ich habe es Waldeinsamkeit genannt.
BF: Würden Sie dieses Bild als typisch für Ihre Art der Fotografie bezeichnen?
Viola Sophie Schuldner: Wirklich fassen kann ich das nicht, aber ich habe schon oft gehört, dass man sieht, dass das Bild von mir ist, aber für mich persönlich ist das Gefühl für die Ästhetik einer Sache jedoch komplett intuitiv. Dinge werden gut, wenn ich nicht ständig bewusst darüber nachdenke. Im Studium haben wir viel über Konzepte und Planung geredet. Das war gut, aber es blockierte mich auch. Letztlich wird etwas Geplantes nie so gut wie etwas, das ich einfach intuitiv mache.
BF: Was passiert da bei Ihnen, wenn Sie konzeptionell arbeiten?
Viola Sophie Schuldner: Ich kann das auch, mich strukturieren, planen, Konzepte erstellen. Ich arbeite nach Strukturen, aber ich muss drin sein und nicht bewusst darüber nachdenken, was ich tun muss, damit es gut wird. Es ist einfach abgespeichert. Ich kann mich darauf verlassen, dass die Dinge in mir sind, da sind, wenn ich sie brauche.
BF: Wie sind Sie zur Fotografie als Ausdrucksform gekommen?
Viola Sophie Schuldner: Das ist auch einfach passiert. Ich habe Produktdesign studiert und dabei gemerkt, dass ich ein Auge für die Fotografie habe. Gerade das künstlerische in der Fotografie ist mein Ding. Mich interessieren Themen, mit denen ich mich identifizieren kann. Dinge, die mich emotional packen, wie Traurigkeit oder Glück. Da ich allein mit künstlerischen Arbeiten zu wenig Geld verdiene, sind andere Dinge hinzugekommen.
Immer geblieben ist meine Leidenschaft. Egal was ich mache, ich mache es gern und ich stehe dahinter. Mit einem freien Kopf zu experimentieren ist ein Teil von mir.
BF: Was ist Ihre Motivation weiterzumachen? Was treibt Sie an?
Viola Sophie Schuldner: Tatsächlich habe ich mich das auch selbst schon öfter gefragt. Ich bin einfach von Grund auf motiviert, Musik hören und Sport machen unterstützen meine Motivation, aber ich kann mich auch allein über tolles Wetter freuen. Ich kann auch andere Menschen unglaublich motivieren. Eine kurze Unterhaltung beim Bäcker hat neulich ausgereicht, dass die Person noch einmal zurückkam und mir erzählt hat, wie sehr ihn das Gespräch motiviert hätte. Durch diese Begegnung habe ich mich gefragt, was mich so stark motiviert, dass es auf andere Menschen überspringt aber ich habe bisher keine Antwort darauf gefunden. Ich konnte mich schon als Kind für banale Dinge wie Sonnenschein, Käfer, Hummeln und Schmetterlinge begeistern und erfreuen und das ist bis heute so geblieben.
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