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“Das andere Foto zu machen ist wichtig” - Fotograf Stefan Boness

best of 2016 - Fotograf Stefan Boness

 

Im BEST OF 2016 zeigen professionelle Fotografen ihr bestes, persönlichstes oder emotionalstes Foto aus dem letzten Jahr.

Mitgemacht hat auch Stefan Boness mit diesem Reportagebild einer Kundgebung.

 

BF: Hallo Herr Boness, auf vielen Ihrer Bilder spielen politische Themen eine große Rolle. Warum haben Sie gerade diese Aufnahme ausgewählt?

Stefan Boness: Das stimmt, ich fotografiere oft politische Reportagen oder Demonstrationen, mache aber auch Portraits und freie Projekte. Das sind häufig ganz andere, oftmals ruhige Themen wie Landschaften, leer stehende Häuser, oder Straßenfotografie in Japan. Diese gegensätzlichen Arbeiten tun mir gut und helfen mir, auf eine andere Ebene zu kommen. Aus dem politischen Bereich hätte ich auch ein anderes Foto wählen können, etwas Schöneres. Ich wollte aber ein bisher unveröffentlichtes Bild nehmen, das mir wichtig ist. Die Demonstrationen von Pegida, beziehungsweise Bärgida in Berlin, haben für mich dabei eine besondere Symbolik. Diese Demonstration fand jetzt schon über 100 Mal statt. Oft sind dann nur 10 Leute anwesend und trotzdem ist die Innenstadt blockiert, weil zu den Bärgidaleuten etliche Polizisten kommen sowie die Gegendemonstration. Alle sind genervt und dennoch demonstrieren sie jede Woche erneut. Ich gehe da ab und zu als Fotograf hin, um das zu dokumentieren und versuche dann Bilder zu machen, die nicht als Propaganda von denen verwendet werden können.

 

BF: Welche Symbolik hat dieses Bild für Sie? 

Stefan Boness: Obwohl die Demonstranten einheitlich wirken möchten, ist für mich das Deutschlandbild, welches dort versucht wird zu projizieren, inhaltlich völlig unstimmig. Da wird eine Wirmer-Flagge gehalten, die wie eine “Norwegerfahne” aussieht und die auch bei den Neonazidemos auftaucht. Es gibt eine Art Reichskriegsfahne und ganz link im Bild steht ein Typ, der ein Schild mit der Aufschrift “Freiheit statt Merkelismus” hält. Dieser Mann ist eigentlich Lehrer, dessen Vertrag aufgrund seiner Pegidaffinität und seiner AFD-Mitgliedschaft nicht verlängert wurde. Ein Foto, das ich auf einer anderen Bärgidademonstration geschossen habe, hat dazu beigetragen, dass er Probleme bekommen hat. Dieses Foto hat die AFD wiederum genutzt, um eine Kampagne in ihrem Sinne zu gestalten. Gegen die widerrechtliche Verwendung meines Fotos geht jetzt mein Anwalt vor. In diesem einen Bild stecken so viele Geschichten und deshalb ist dieses Foto wichtig für mich.

 

BF: Woher kommt der starke historisch-politische Bezug in Ihren Bildern? 

Stefan Boness: Ich bin eigentlich Politikwissenschaftler und beobachte die Entwicklungen in Deutschland schon sehr lange. Persönlich ist es mir unangenehm, gerade auf rechte Veranstaltungen zu gehen. Die Stimmung hat sich zudem radikalisiert, es wird immer brutaler. In Leipzig gab es sogar Steinwürfe und physische Übergriffe. Ich versuche beim Fotografieren in der Rolle eines Beobachters zu bleiben, der eine gewisse Distanz wahrt.

Für mich ist es wichtig, dass man wie bei diesem Foto auch, sehr deutlich meine Position, meine Einstellung als Fotograf erkennt. Auf den Demonstrationen ist es immer ein gegenseitiges Beobachten. Nicht selten werde ich von den Pegida-Demonstranten ebenfalls fotografiert. Ich finde es wichtig, die Menschen, Symbole und Identitäten der Teilnehmer in der rechten Szene zu kennen, um diese Bewegungen verstehen und überhaupt fotografieren zu können.

 

BF: Wie kommt es, dass Sie sich besonders für rechte Demonstrationen interessieren?

Stefan Boness: Oh, das mache ich nicht nur. Ich habe etwa ein Projekt, das nennt sich “MUTbürger” und beschäftigt sich vor allem mit linken Demonstranten, die ich im Hochformat und ganz einheitlich fotografiert habe. Das ist ein Projekt, mit dem ich mich schon jahrelang beschäftige. Mir geht es beim Fotografieren immer vor allem um die Vielfalt der Protestkultur.

 

BF: Der Wechsel vom Politikwissenschaftler zum Fotografen, wie kam es bei Ihnen dazu?

Stefan Boness: Nach dem Politikstudium habe ich angefangen, für verschiedene Bildagenturen als Fotoredakteur zu arbeiten. Der Wunsch, einfach selbst zu fotografieren ist dabei immer stärker geworden. Schließlich habe ich in London eine Ausbildung zum Fotojournalisten gemacht. Seit nunmehr 18 Jahren arbeite ich als freier Fotograf in Berlin. Das Tolle daran ist, dass ich nach wie vor selbst bestimmen kann, welche Themen ich machen möchte und wie ich diese fotografiere. Meine Bilder werden über Agenturen weltweit vermarktet und auch hier in Deutschland läuft es recht erfolgreich. In der Branche als Fotojournalist zu arbeiten wird auf jeden Fall nicht leichter, aber es geht, wenn man gute Fotos macht. Es ist schwieriger geworden, aber es klappt noch immer.

 

BF: Gibt es etwas, dass Ihnen besonders wichtig ist bei Ihren Aufnahmen?

Stefan Boness: Eigentlich ist mir vor allem wichtig, andere Perspektiven zu bekommen und “das andere Foto zu machen”. Letztens etwa, bei dem Treffen zwischen Merkel und Hollande zum Gedenken an das Berliner Attentat, haben sich alle Kollegen an einem Ort geballt. Ich habe mich entfernt von ihnen auf die Treppe gestellt und die beiden von hinten fotografiert mit den Blumen. Keine Ahnung, ob es wirklich gedruckt wird. Ich hoffe das natürlich. 

Fotografie bedeutet für mich, nach wie vor alle Privilegien und Freiheiten der Welt zu besitzen. Ich kann reisen, oder auch Aufträge ablehnen. Ich kann ausschlafen, aber auch viel arbeiten. Ich kann einfach selbst entscheiden, was ich mache. Keiner redet mir rein. Es ist ein sehr schöner Beruf, auch wenn es manchmal hektisch ist.

Manchmal ist es nur etwas schade, dass eher 08/15-Bilder gedruckt werden als Bilder wie dieses hier. Die Fotos, die mir selbst gut gefallen und die ich schön finde, die vielschichtig sind und eine andere Dimension haben, werden leider viel zu selten veröffentlicht.

 

Foto: Stefan Boness, www.iponphoto.com 

 

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