"Straßenfotografie ist ehrlich" - Fotograf Attila Henning spricht über sein wichtigstes Foto aus 2016
Im BEST OF 2016 zeigen professionelle Fotografen ihr bestes, persönlichstes oder emotionalstes Foto aus dem letzten Jahr.
Mitgemacht hat auch Attila Henning mit dem Foto einer Fotografin in einem Straßencafe in Frankreich.
BF: Hallo Herr Henning, Sie haben über ihr Foto geschrieben, dass die Straßenfotografie eine ehrliche Art der Fotografie für Sie ist.
Attila Henning: (lacht). Ja, wenn man auf der Straße ist oder wie ich bei dem Foto in einem Cafe sitzt, ist man vor allem Beobachter. Letztendlich ist die Szenerie genau so wie sie ist und das ist für mich ehrliche Fotografie. Auf der Straße entsteht das Bild in der Kamera, ohne, dass ich danach noch irgendwelche technischen Hilfsmittel benutze. Ich muß als Fotograf das Auge haben, um das interessante in einer Szenerie zu finden und festzuhalten. Ehrlich bedeutet für mich, dass ich das Bild nicht hinterher 10 Stunden mit Photoshop bearbeite.
BF: Wie empfinden Sie das Fotografiebusiness, vermissen Sie dort manchmal auch eine gewisse Ehrlichkeit?
Attila Henning: Ja und Nein. Mein Hauptschwerpunkt ist eigentlich Industriefotografie, Produkt- und Foodfotografie. Gerade in der Produktfotografie wird mit künstlichem Licht, mit Spiegelungen, mit dem Verändern von Materialien und Hintergründen viel getrickst. Wenn man es genau nimmt, kann man Produktfotografie als nicht gerade ehrlich bezeichnen. Anders verhält es sich bei Industriereportagen. Da bin ich ein Verfechter vom Ansatz “mein Bild entsteht in der Kamera”. Das ist weit weniger manipulativ.
BF: Bei der Fotografin, die Sie hier fotografiert haben, hat Ihnen ihr Gesamtbild und das Styling gefallen. Was fanden Sie an Ihr so faszinierend?
Attila Henning: Ich war zur Eröffnung einer internationalen Modeschau in Paris und habe zufällig diese Frau in dem Cafe gesehen. Ich dachte von Anfang an nur: Wow, die sieht einfach nur klasse aus. Das ist irgendwie cool. Das Stirnband mit der Brille und dem Trenchcoat, das hat etwas. Und sie hatte selbst so eine gewisse Ausstrahlung. Ich habe dann lange überlegt, ob sie Französisch oder Englisch spricht und dann meine perfekt Französisch sprechende Kollegin gefragt, ob sie die Frau fragen könnte, ob ich ein Foto von ihr schießen könnte. Dann schaute die Dame zu uns und meinte: "Du kannst mich auch auf Deutsch ansprechen." Ich bin im Boden versunken, aber darüber sind wir ins Gespräch gekommen. Das, was mich an diesem Bild so fasziniert ist das gewisse Etwas, das sie ausstrahlt. In diesem Zusammenhang hat dieses Foto einen großen Wert für mich.
BF: Würden Sie nach dieser Erfahrung gerne mehr “ehrliche” Straßenfotografie machen?
Attila Henning: Ja und Nein. Straßenfotografie ist kein Auftrag hinter dem ein Kunde sitzt, sondern da gehe ich raus und mache das komplett für mich selber. Wenn ich unterwegs bin, verbinde ich das meistens. Dann nehme ich mir schon ein paar Minuten Zeit, aber klar, das geht nicht immer und nicht immer küsst mich die Muse, so dass ich den richtigen Moment erwische.
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