„Es gibt nichts Faszinierenderes als Menschen“ Ein Gespräch mit Fotograf Hartmut S. Bühler über die Leidenschaft in der Fotografie
Hartmut S. Bühler arbeitet als Portrait- und Reportagefotograf seit 1989 in Düsseldorf. Er hat den Wandel der Fotografie von analog zu digital miterlebt und etliche Prominente vom DIE ZEIT-Verleger Gerd Bucerius über Dennis Hopper bis Wim Wenders portraitiert.
BF: Herr Bühler, Sie sind ein erfahrener Fotograf und seit mittlerweile 25 Jahren im Geschäft. Wie haben Sie sich so lange behaupten können? Sicherlich haben Sie gute wie auch schwierige Zeiten erlebt.
Hartmut S. Bühler: Ich bin in der guten Position, relativ früh erkannt zu haben, dass ich einzig für die Fotografie brenne. Wenn man eine wirkliche Leidenschaft für etwas entwickelt und beharrlich seinen Weg geht, sind die äußeren Umstände nicht Ausschlag gebend. Niemand hat mich zu dem Beruf gezwungen und deshalb würde Jammern nichts helfen. Ich habe auch in andere Berufe hineingeschaut, aber Fotograf zu sein war immer der einzige Beruf, für den ich wirklich durchs Feuer gehe.
BF: Was genau fasziniert und motiviert Sie in der Fotografie? Ist es der Vorgang oder das Endergebnis?
Hartmut S. Bühler: Ich fotografiere hauptsächlich Menschen und das bedeutet für mich, dass ich mich intensiv mit der jeweiligen Persönlichkeit auseinandersetze, bevor ich sie porträtiere. Wahrscheinlich mache ich das auch deshalb schon so gerne, da ich am Anfang meiner Karriere als Journalist gearbeitet habe. Ich freue mich auch immer, Prominente zu porträtieren und empfinde so eine Begegnung dann oft als ein Privileg.
BF: Sind sie eher ein Fotojournalist oder ein Porträtfotograf?
Hartmut S. Bühler: Ich sehe mich selber als Fotojournalist und das finde ich auch viel spannender, als ein reiner (Studio-)Porträtfotograf zu sein. Sich Zeit zu nehmen, um sich mit Menschen zu beschäftigen und zu versuchen, dem Porträtierten gerecht zu werden, liegt mir sehr am Herzen. Meist arbeite ich für PR-Agenturen, Printmagazine oder Unternehmen.
BF: Sie haben immer wieder freie Projekte gemacht. 2008 haben Sie sich mit dem Düsseldorfer Serienmörder Peter Kürten beschäftigt und sich mit den Tatorten fotografisch auseinandergesetzt. Im letzten Jahr entstand ein Projekt mit den Schülern einer Musikschule, die Sie an ihren Lieblingsorten porträtiert haben. Was motiviert Sie zu diesen Projekten?
Hartmut S. Bühler: Als Freiberufler habe ich auch freie Zeit, die sinnvoll genutzt werden will. Und wenn sich dann noch tolle Themen vor der Haustür finden lassen, umso besser. Ich bin da einfach mit Leidenschaft dabei und verzichte gerne im Gegenzug auch auf den einen oder anderen Auftrag. Gerade in der heutigen Zeit sollte man sowieso nicht jeden Job annehmen. Es ist mir immer wichtig, dass der Auftraggeber meiner Arbeit auch eine gewisse Achtung entgegenbringt.
BF: Neben viel Motivation und Zeit kostet jedes freie Projekt immer auch Geld. Sicherlich ist es schön, danach eine eigene Ausstellung zu haben aber umso schöner ist es, wenn man auch eine Vergütung erhält oder die Bilder vermarkten kann. Wie finanzieren Sie die Projekte und verwerten Sie Ihre Bilder auch über Bildagenturen?
Hartmut S. Bühler: Die Projekte werden zu 100 Prozent von mir selber finanziert. Ich habe auch schon versucht, Sponsoren zu gewinnen, das war leider bisher vergeblich. Eine Verwertung über Bildagenturen gelang mir nur einmal: mit einer Serie über den Schriftsteller Georges Simenon und seine Geburtsstadt Lüttich.
BF: Ihre Bilder findet man auch in den Bilddatenbanken von Visum und Ullstein. Haben Sie es einmal mit microstock Anbietern versucht? Einige Fotografen machen mit diesen Kleinstbeträgen ja ganz ordentliche Umsätze.
Hartmut S. Bühler: Ich kann mir nicht vorstellen, mit microstock Anbietern zusammen zu arbeiten. Einfach, weil ich mit Leidenschaft fotografiere und es mir wichtiger ist, am Ende des Tages ein gutes Bild zu haben, als etliche belanglose Fotos. In den microstock Agenturen wird ja oft thematisch und qualitativ eher der Geschmack der breiten Masse bedient. Das liegt mir nicht.
BF: Haben Sie eine handwerkliche Ausbildung und sich direkt nach dem Abschluss selbstständig gemacht?
Hartmut S. Bühler: Ich habe eine Ausbildung als Werbetexter absolviert und davor ein Volontariat bei einer mittelgroßen Tageszeitung. Von meinen Kollegen wollten damals alle schreiben und kaum jemand fotografieren. Bei mir war das Gegenteil der Fall und so habe ich anfänglich von einem Reportagefotografen der Zeitung das nötige Wissen beigebracht bekommen. Danach habe ich bei verschiedenen Fotografen als Assistent gearbeitet. Ich habe schnell gemerkt, welche fotografische Richtung mir gefällt. Zusätzlich musste ich mir vieles autodidaktisch beibringen – die Akquise, das kaufmännische Wissen - und habe dementsprechend gerade in meinen Anfangsjahren viel Lehrgeld gezahlt.
BF: Wie sind Sie an Ihre ersten Aufträge gekommen?
Hartmut S. Bühler: Das war eher zufällig. 1988/89 habe ich als Journalist für das „COPY – Magazin für Medien, Kommunikation und Kreation“, vom Handelsblatt Verlag in Düsseldorf gearbeitet und war oft unzufrieden mit den Bildern, die andere Fotografen geliefert haben. Ich habe dann dort sowohl geschrieben, als auch fotografiert und als das Magazin eingestellt wurde, bin ich meinem Herzen gefolgt und habe mir gesagt: Probiere es doch einfach als Fotograf. Und seitdem arbeite ich in dem Beruf. Übrigens: Ich schreibe wieder: über fotografische Themen für den Fotoblog Ruhrspeak.de des Pixelprojekts Ruhrgebiet (das Pixelprojekt Ruhrgebiet sammelt serielle Fotografie zu einzelnen Aspekten der Region Ruhrgebiet im Internet).
BF: Die Zahl der Fotografen ist in den letzten Jahren extrem gestiegen - wie macht sich das in Ihrem Bereich bemerkbar?
Hartmut S. Bühler: Schon in der analogen Zeit ist der Kuchen nicht größer geworden und immer mehr wollten etwas von ihm abschneiden. Heute hat sich alles verändert. Millionen Handyfotografen mischen gerade auch im journalistischen Bereich mit. Als Fotograf wird man sich zukünftig immer mehr spezialisieren müssen.
BF: Wie wurden Jobs im Fotojournalismus eigentlich vor 20 Jahren bezahlt? Gab es feste Preise?
Hartmut S. Bühler: Man konnte sich auf eine gewisse Gage einstellen und da wurde auch nicht auf jede Mark geachtet. Die Wertschätzung des Fotografen war damals auch eine viel höhere. Natürlich werden die berühmten Fotografen damals wie heute gebucht und hofiert, für die breite Masse ist es aber sicherlich schwieriger geworden.
BF: Hat sich durch die Umstellung auf digital viel bei Ihnen verändert? Seit wann arbeiten Sie mit Digitalkameras für Ihre Kunden?
Hartmut S. Bühler: Ich bin erst relativ spät vor zehn Jahren auf digital umgestiegen. Die Vorteile überwogen dann letztlich doch.
Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung sehe ich aber keine wirkliche Kosteneinsparung beim Fotografen durch die Umstellung auf digital. Denn Auftraggeber empfinden es heutzutage oft als selbstverständlich, dass man mit der neuesten Technik kommt. Das war zu analogen Zeiten nicht der Fall und führt zu höheren Investitionen als früher. Zudem fehlt mir ein wenig die Spannung, die man als analoger Fotograf hatte, wenn sich die Filme im Entwicklungsprozess befanden. Und der Kaffee und die Flachsereien mit den Fachlaboranten waren oft amüsant.
BF: Haben Sie einen festen Tagessatz oder variieren Sie je nach Auftraggeber und Art des Jobs? Wie handhaben Sie die Nutzungsrechte?
Hartmut S. Bühler: Das variiert bei den verschiedenen Auftraggebern. Das Preisgefüge heutzutage hat sich aber gegenüber der analogen Ära stark geändert. In Bezug auf die Nutzungsrechte wollen Auftraggeber heute natürlich gerne immer alle Rechte ohne die Zahlung von Lizenzgebühren durchsetzen. Der Druck hat über die Jahre somit stetig zugenommen.
BF: Wie verhalten Sie sich bei Auftraggebern, die versuchen, die Preise stark zu drücken?
Hartmut S. Bühler: Ich denke, eine gewisse Qualität hat auch ihren Preis. Aus Wertschätzung vor der eigenen Arbeit sollte man immer versuchen gut zu verhandeln und auch mal einen Auftrag mit schlechten Bedingungen ablehnen. Würde ich jeden Job machen, der mir angeboten wird, würde ich meine Integrität verlieren.
BF: Fotograf ist nach wie vor ein beliebter Beruf. Würden Sie einem jungen Menschen heute raten, Fotograf zu werden?
Hartmut S. Bühler: Sicher. Die Frage ist doch, ob jemand für den Beruf wirklich brennt. Und wenn das der Fall ist, gibt es für denjenigen einfach auch keine Alternative. Wie die finanzielle Situation im Berufsleben aussieht, ist viel vom Geschick des Einzelnen abhängig. Aber wer wirklich für etwas begeistert glüht, für den ist das nebensächlich. Jeder sollte versuchen, seinen Traum zu leben. Gerade heutzutage wird da natürlich auch viel Eigeninitiative von den Berufsanfängern gefordert.
Jedem jungen Fotografen muss klar sein, dass das Fotografenleben bei den meisten in Abschnitte unterteilt ist. Da gibt es eine Blütezeit und die Jahre davor und danach. Gerade in den schwierigen Zeiten muss man Biss zeigen und oft mit Leidensfähigkeit weitermachen.
BF: Film und Fotografie verschmelzen immer mehr. Werden die Berufe ganz in einander aufgehen oder sind sie doch zu verschieden?
Hartmut S. Bühler: Viele Kunden verlangen heute beides: die Dateien aus der Fotokamera und die Dateien des bewegten Bildes. Film bzw. Videografie interessiert mich sehr, ein Video habe ich bisher realisiert: mit einem berühmten Kammerorchester.
Ich denke zukünftig wird es nicht mehr den typischen Fotografen geben. Fotografen werden eher Dienstleister sein und je nach Anspruch und Qualitätsforderungen des Auftraggebers sowohl Bilder wie auch Filme anbieten.
BF: Verändert sich der Qualitätsanspruch der Auftraggeber?
Hartmut S. Bühler: Jeder möchte heute die bestmögliche Qualität zum günstigsten Preis und das führt oft eher zu Mittelmaß. In Zukunft wird sicher viel öfter das reine Abbild ausreichen, wo früher ein gutes Foto gefragt war. In dieses Schema passen auch Fotografen, für die die Fotografie nur ein Mittel zum Geldverdienen ist und bei denen alleine der Durchsatz zählt. Für mich gibt es keinen eindeutigen Unterschied zwischen angewandter Fotografie und künstlerischen Arbeiten - ich habe es immer vorgezogen, lieber weniger Bilder zu machen und dafür mit höherem Anspruch.
BF: Sie zeigen ein Portrait von Dennis Hopper in Ihrem Portfolio. Wie ist es entstanden?
Hartmut S. Bühler: Das Foto entstand 1988 für „COPY“. Der Fototermin war zwar vereinbart, dennoch war es ein Glücksfall, dass Hopper mir erlaubte, ihn zu portraitieren. Er sagte: „I give you 60 seconds“. Ich habe damals an der Kunsthalle Düsseldorf zwei unterschiedliche Motive fotografiert. Und zwar mit einer Nikon FM2 und mit Kodak T-Max Pro schwarzweiss Film. Damals stellte er eigene großformatige Fotos aus in der Galerie Hans Mayer in Düsseldorf. Zehn Jahre später habe ich ihn dann im Auftrag des Magazins Focus erneut bei seiner zweiten Foto-Werkschau bei Hans Mayer fotografiert. Diesmal mit der 6x6 Hasselblad. Ich habe ihm 1998 dieses Portrait (siehe Abbildung) gezeigt und überreicht und es hat ihm sehr gefallen. Ich habe heute noch den von ihm signierten Abzug.
BF: Wo sehen Sie sich in Zukunft als Fotograf und was denken Sie wie die Fotografie in einigen Jahren aussieht?
Hartmut S. Bühler: Ich persönlich liebe und brauche diese Freiheit, die mir der Beruf als Fotograf ermöglicht und werde sicher noch lange weiter fotografieren.
In Bezug auf die Fotografie glaube ich an eine stetige Weiterentwicklung. Genauso wie es nicht mehr den Fotografen gibt, der mit Fachkamera und Labor auf einem Pferdewagen unterwegs ist, wird der stetige Wandel die einzige Konstante sein. Die Möglichkeiten, die es jetzt jedem ermöglichen mit wenig Aufwand Fotos in einem bestimmten Look zu machen, sind enorm. Die Frage ist, ob das nur belanglose Fotos in tollem Look sind, oder auch Bilder, die inhaltlich berühren.
BF: Vielen Dank für das Gespräch.
Ein Portfolio der Arbeiten von Hartmut S. Bühler findet man auf seinem Fotografen Profil auf berufsfotografen,
oder auch direkt auf seiner Seite: www.hsbuehler.com
Hartmut S. Bühler schreibt auch im Fotoblog auf Ruhrspeak.de
Vita:
Berufsfotograf seit 1989. Davor Journalist und Werbetexter.
Ausstellungen:
"Rheine Träume“ anlässlich der Photokina 2012 im Carlswerk Köln-Mülheim
geplant ist eine weitere Teilnahme an "Rheine Träume“ zusammen mit Kollegen des Fotografenverbandes FreeLens e. V. zur Photokina 2014
"Rheine Träume-Musikerportraits" in der Clara Schumann- Musikschule Düsseldorf in 11/12-2012
"Rheine Träume-Portraits" ab 14. September in der Mestrenger Mühle, 52393 Vossenack
geplant 2014: eine große Portraitausstellung in der Tonhalle Düsseldorf. Frühere Ausstellungen zeigten Portraits aus dem Mittleren Westen/USA und Portraits aus Havanna/Kuba
2004 Ausstellung im Oberlandesgericht Düsseldorf – “100 Düsseldorfer Köpfe“
in Kürze erscheint ein Bildband über Utah.
Kunden:
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Foto Dennis Hopper: © Hartmut S. Bühler
Foto Portrait: © Christoph Kniel